Sterben und Tod

Diskussionen rund um das Thema Götter und Heidentum
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Aethelstan1984
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Aethelstan1984 »

[+] hat geschrieben: 18.12.2020, 17:27 Die Griechen waren schon weit, der Tod galt bei (u.a.) Epikur als „das Nicht-Sein“. Bei den Ägyptern magst du Recht haben. ;)
Epikur stand nun allerdings wirklich nicht für "die Griechen". Er ist eine Stimme unter vielen und gerade in seiner Ontologie blieb er nicht unwidersprochen, sondern hat eine Sonderlehre vertreten, die nur die Wenigsten teilten.
Einmal davon abgesehen, kann ich seinen Gedankengang nicht nachvollziehen, wenn er zum Beispiel sagt:

„Daher macht die richtige Erkenntnis, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat, die Sterblichkeit des Lebens erst zu etwas, das wir geniessen können, nicht, indem sie eine unendliche Zeit (zum Leben hinzufügt), sondern indem sie das Streben nach Unsterblichkeit aufhebt.“

Das setzt mir zuviele Vorannahmen voraus. Es ist ja nicht so, dass Menschen, die an eine Existenz über den Tod hinaus glauben notwendigerweise nach Unsterblichkeit streben. Die Frage ist doch, ob man sich diese Unsterblichkeit verdienen muss. Da würde sogar das (in dieser Hinsicht stark vom Platonismus geprägte) Christentum sagen: Nein. Denn der Leib vergeht, aber die Seele ist unsterblich. Dieser Leib-Seele Dualismus ist nicht exklusiv christlich, sondern findet sich in vielen Religionen und ich würde behaupten: In abgeschwächter Form auch im heidnisch-germanischen Glauben. Ein Platoniker hätte Epikur entgegengehalten, dass man nicht nach Unsterblichkeit streben muss, weil die Unsterblichkeit bereits ein Wesensmerkmal der Seele ist.
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von [+] »

Die Vorannahme der Existenz einer Seele wird hier zu wenig in Frage gestellt, mag mir scheinen... :)
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Blumenfee
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Blumenfee »

[+] hat geschrieben: 18.12.2020, 20:44 Die Vorannahme der Existenz einer Seele wird hier zu wenig in Frage gestellt, mag mir scheinen... :)

Langsam wird das hier von einer ernsthaften Erörterung zu einer typischen Forumsdiskussion: Wenn man nicht weiter kommt, zieht man einfach ein neues As aus dem Ärmel.

Gruß
Blumenfee
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Aethelstan1984
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Aethelstan1984 »

Betrachten wir es dann doch einfach aus der Sicht der Glaubenspraxis: Die Ahnenverehrung verliert einen Großteil ihrer Bedeutung, wenn davon ausgegangen wird, dass der Mensch nach seinem Tod seine gesamte Existenz verliert. Ich zitiere folgend aus dem Selbstverständnis des Eldarings (III,2,1):

"Aus dem Bewusstsein heraus, dass das eigene Leben mit allem Leben, sowohl vergangenem als auch zukünftigem, in Beziehung steht, werden die Ahnen geachtet."

Was hier angedeutet wird, ist doch nichts anderes als die Überzeugung, dass im Wyrd Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unauflöslich miteinander verwoben sind (ganz deutlich wird dies in III,3,2).
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Heimdall
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Heimdall »

Blumenfee hat geschrieben: 18.12.2020, 22:07
[+] hat geschrieben: 18.12.2020, 20:44 Die Vorannahme der Existenz einer Seele wird hier zu wenig in Frage gestellt, mag mir scheinen... :)
Langsam wird das hier von einer ernsthaften Erörterung zu einer typischen Forumsdiskussion: Wenn man nicht weiter kommt, zieht man einfach ein neues As aus dem Ärmel.

Gruß
Blumenfee

Leider sind unsere Quellen sehr dürftig. Betrachtet man die Edda, so wird klar, dass von einem Weiterleben nach dem Tod ausgegangen wird. Baldr und Nanna weilen bei Hel, auch die Menschen gehen den "Helweg" und greifen als Totenheer gemeinsam mit Hel bei den Ragnarök die Welten an. Die Einherjer leben in Walhall bis zu den Ragnarök. Es handelt sich hierbei um ein körperliches Weiterleben nach dem Tod, daher ist die Frage nach der Seele durchaus berechtigt. Der germanische Glaube beinhaltet eine monistische Auffassung des Toten. Die Existenz einer Seele ist aber trotzdem nicht ausgeschlossen, sie bezieht sich aber eher auf den lebenden Menschen.

Grüße

Heimdall
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Blumenfee
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Blumenfee »

Heimdall hat geschrieben: 19.12.2020, 23:03 Leider sind unsere Quellen sehr dürftig. Betrachtet man die Edda, so wird klar, dass von einem Weiterleben nach dem Tod ausgegangen wird. Baldr und Nanna weilen bei Hel, auch die Menschen gehen den "Helweg" und greifen als Totenheer gemeinsam mit Hel bei den Ragnarök die Welten an. Die Einherjer leben in Walhall bis zu den Ragnarök. Es handelt sich hierbei um ein körperliches Weiterleben nach dem Tod, daher ist die Frage nach der Seele durchaus berechtigt. Der germanische Glaube beinhaltet eine monistische Auffassung des Toten. Die Existenz einer Seele ist aber trotzdem nicht ausgeschlossen, sie bezieht sich aber eher auf den lebenden Menschen.

Dann fände ich es richtiger für "Seele" einen eigenen Thread aufzumachen, denn es überschneidet sich zwar, ist aber nicht identisch mit "Leben und Tod".

Gruß
Blumenfee
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Heimdall
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Heimdall »

Nee, nicht nötig.
Tyrsbjoerg
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Tyrsbjoerg »

Aus aktuellem Anlass würde es mich sehr interessieren wie unsere Vorfahren mit dem Thema Selbstmord umgegangen sind und wie die heutige Sicht im Asatru und dem Eldering auf dem Thema liegt. Kommen Selbstmörder auch nach Helheim oder werden sie gesondert behandelt?
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von [+] »

Selbstopfer sind ja quasi Selbstmorde, oder?
Nur ein Narr betet erst den Leichnam an.
Tyrsbjoerg
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Tyrsbjoerg »

Ich pesönlich glaube das es da unterschiede gibt zwischen einem Selbstopfer und Selbstmord. Das Selbstopfer wird ja für die Sippe bzw. den Stamm und die Götter gegeben. Selbstmord hingegen hat ja kenen solchen spirituellen Bezug. Das klassische Aufhängen in der Scheune ist doch eher durch Scham, Angst und Selbstzweifel geprägt. Wie sieht da die Glaubenswelt aus?
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volker
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von volker »

Mir persönlich ist keine einzige Quelle bekannt in der explizit auf mögliche Glaubensaspekte im germanischen Heidentum zu einem Suizid eingegangen wird.
Ich vermute, weil es gar keinen religiösen Aspekt bezüglich etwaiger religiöser Folgen eines Suizides gab.
Ich glaube auch, dass es gar nicht nötig ist, jeden einzelnen Aspekt menschlichen Lebens und auch Sterbens, irgendwie religiös zu werten.
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Markus Nicklas
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Markus Nicklas »

Tyrsbjoerg hat geschrieben: 10.01.2023, 13:27 Ich pesönlich glaube das es da unterschiede gibt zwischen einem Selbstopfer und Selbstmord. Das Selbstopfer wird ja für die Sippe bzw. den Stamm und die Götter gegeben. Selbstmord hingegen hat ja kenen solchen spirituellen Bezug. Das klassische Aufhängen in der Scheune ist doch eher durch Scham, Angst und Selbstzweifel geprägt. Wie sieht da die Glaubenswelt aus?
Ich meine, dass es schon einen Unterschied zwischen Freitod und "Selbstmord" gibt, denn ein Mord unterstellt ein Motiv mit "niederer Gesinnung."

Wie sich jedoch die Jenseitsvorstellung gestaltet, dafür gibts meines Erachtens wenig Belastbares, denn das sind alles lediglich diesseitige Ideen.

Mich haben immer wieder die sogenannten "Delog" fasziniert. Das sind Leute, die quasi meditativ ins Jenseits gehen oder so intensive Nahtoderfahrungen haben (meine Wortwahl), dass sie für tot gehalten wurden, jedoch zurück kamen.

Allerdings sind die manchmal betörend schön, wie zum Beispiel "Helvegen" von Wardruna. Siehe das interveiw von Rune Rasmussen mit Einar Selvig - die ersten drei Minuten etwa - ich arbeit grad an den Untertiteln, dauert noch

https://www.youtube.com/watch?v=F9_3SsqfYu4

Ja, ich denke schon, dass ich von hier aus, nach dort drüben helfen kann. Zum Beispiel durch das Abstellen von Illusionen über den Verstorbenen oder die Klärung mich immer noch an ihn bindende Starke Emotionen. Für beides mag solide psychotherapeutische Hilfe angemessen sein.

Tibetische_Nahtoderfahrungen_Eine_Fallst-1.pdf
(149.8 KiB) 63-mal heruntergeladen
Tyrsbjoerg
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Tyrsbjoerg »

Demnach kann ich also die Hinterbliebenen dahingehend beruhigen das es in unserem Glauben für Selbstmord keine bestrafung gibt, sondern das ihr Sohn den üblichen Weg zu Hel geht? Das es kene Bestrafung gibt wie im Christentum?
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Markus Nicklas
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Markus Nicklas »

Tyrsbjoerg hat geschrieben: 16.01.2023, 12:22 Demnach kann ich also die Hinterbliebenen dahingehend beruhigen das es in unserem Glauben für Selbstmord keine bestrafung gibt, sondern das ihr Sohn den üblichen Weg zu Hel geht? Das es kene Bestrafung gibt wie im Christentum?
Oha, ich weiß nicht, was Du glaubst.
Das ist eine sehr heikle Frage, die von denen abhängt die trauern. Und von dem Dahingegangenen. Ich hoffe, dass ich mich in einem solchen Moment vergesse und den Hinterbliebenen ihren Schmerz lassen kann.
Tyrsbjoerg
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Re: Sterben und Tod

Beitrag von Tyrsbjoerg »

Da ich nirgendwo etwas Gegenteiliges gefunden habe, habe ich den Eltern erzählt was für uns Helheim ist und das dort keine Bestrafung gibt, das ihr Sohn freundlich an der Tafel von Hel willkommen geheißen wird und das man ihm Heilung zu kommen lassen wird und das er zu seinen Ahnen gesandt werden wird. Anschließend habe ich eine Totenleite für ihren Sohn gemacht und ihnen so weiter helfen. Die ELtern sind beide Katholiken und befürchteten den Sohn im Fegefeuer.
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