Winternächteopfer

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Ulrike
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Winternächteopfer

Beitrag von Ulrike »

Das Winternächteopfer

Nach dem lunisolaren Kalender wurde zum Vollmond des 10. Monats das Winternächteopfer gefeiert, in altnordischen Quellen Vetrnóttablót genannt, bei den Angelsachsen Winterfilleth. In diesem Jahr 2018 wäre dieser Termin der 24. Damit begann (und beginnt?) der Winter und das neue Jahr.*
Zu den Feierlichkeiten, die sich möglicherweise über mehrere Tage erstreckten, gehörten laut den altnordischen Quellen Gastmähler und Trinkgelage, Opfer, sowie Wettspiele und Wettkämpfe. Es wurde dem Frey geopfert (Gísla saga Súrssonar), aber wohl auch den Disen (Viga-Glúms saga), auch wenn unsicher ist, ob das Vetrnóttablót und das dísablót synonym waren. In der Óláfs saga helga finden wir im Völsa Þáttr, offenbar einen Fruchtbarkeitsritus beschrieben, der mit Freyr zusammenhängen könnte. Auch wurde das alfablót in dieser Zeit begangen, wiederum lässt sich aber nicht sagen, ob dieses Opfer unabhängig vom Winternächteopfer begangen wurde oder nicht.
Im heute deutschsprachigen Raum wissen wir aus der Sachsengeschichte von Widukind von Corvey, dass die Sachsen im Oktober jährlich ein dreitägiges Fest begingen, bei dem unter anderem Totenfeiern abgehalten wurden.
Außerdem erwähnt Tacitus in den Annales ein Fest, das die Marser zu Ehren der Göttin Tamfana (ansonsten leider nirgends erwähnt) in diesem Zeitraum feierten. Der Termin könnte aufgrund der ungenauen Beschreibung aber sowohl der 28.Spetember als auch der 27. Oktober gewesen sein.
Es erscheint einleuchtend, dass sich die Feiern des Winterbeginns in den verschiedenen Regionen auch nach den klimatischen Verhältnissen und den Ernteabschlusszeiten gerichtet haben mögen. Im deutschsprachigen Raum findet das landwirtschaftliche Jahr am 11. November, dem Martinstag, sein Ende. Vorher wurde aber seit 835 Allerheiligen gefeiert, und zwar am 1. November. Gregor IV hatte das Datum für die Westkirche auf dieses Datum festgelegt, wobei Totengedenkfeiern vorher von anderen christlichen Kirchen über das Jahr verstreut zu finden waren. Das Fest Allerseelen, bei dem am 2.11. nicht den Heiligen, sondern den Armen Seelen (also den verstorbenen Angehörigen) gedacht wird, wurde erst später, im Jahre 998 durch den Abt von Cluny, Odilo, eingeführt. Zunächst nur in Klöstern gefeiert, verbreitete sich dieser Feiertag rasch und ist zum Beispiel im katholischen Rheinland ebenso bedeutend wie der Allerheiligentag. In dieser Nacht kehren die Toten, so der Volksglaube, für kurze Zeit zurück und besuchen die Lebenden. Es werden die Gräber geschmückt und beleuchtet, in anderen deutschsprachigen Regionen wurden auch Gebildbrote auf den Gräbern geopfert. In der Eifel wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts große Rüben ausgehöhlt und beleuchtet vor die Tür gestellt.
Ich möchte hier keine Kontinuität des Winternächteopfers auf das Allerseelenfest postulieren. Persönlich finde ich es aber nicht undenkbar, dass mit dem Winterbeginn eine Zeit anbricht, in der die Menschen immer schon der Ahnen und Verstorbenen gedachten, oder ihrer eher gewahr wurden, und dass das Fest Allerseelen auf den 2. November gelegt wurde, um dieses Totengedenken christlich zu überformen. Es ist auch nicht undenkbar, dass Bräuche und Traditionen, ebenso wie die Vorstellung des Jahresendes auf den nahen Martinsfeiertag gezogen wurden.


* Die Quellen- und Terminangaben habe ich folgendem Buch entnommen: Andreas E. Zautner, Der gebundene Mondkalender der Germanen. Rekonstruktion eines Lunisolarkalenders nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen. Leipzig: Bookra 2013.
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Verdandi42
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Re: Winternächteopfer

Beitrag von Verdandi42 »

Danke dafür! (Hier fehlt die alte Like-Funktion ...)

LG, Petra
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