Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Literatur, sonstige Medien und quellenbasierte religionswissenschaftlich/historische Diskussionen zum Thema germanisches Heidentum
rastatux
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Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von rastatux »

Hallo zusammen!

Mir liegt seit Tagen eine Frage auf der Zunge, ich hoffe allerdings dass die Diskussion nicht so ausartet wie in diesem Thread hier, sondern ihr mir einfach eure unverfängliche Meinung bzw. Tipps geben könnt.

Ich beschäftige mich wieder mit Fachliteratur zum Thema Runen und Germanischer Mythologie, wobei sich meine Bibliothek aus Géza von Neményis "Heilige Runen" und Wolfgang Golthers "Germanische Mythologie" zusammensetzt und bald zu meinem Geburtstag durch "Aufgeklärtes Heidentum" von Andreas Mang ergänzt wird (Muss ja). ;)

Nun habe ich den Namen "Géza von Neményi" gegoogelt und bin darauf gestoßen, dass der Herr Politiker der AFD geworden ist. Mir ist sehr bewusst, dass der Eldaring politisch neutral ist. Daher möchte ich gar nicht darüber diskutieren ob und inwieweit die AFD den Grundsätzen des Eldarings widerspricht. Mir gefällt das Buch von Géza von Neményi von der Schreibweise und er distanziert sich im Buch von rassistischen Ideologien. Ich persönlich kenne den Autor aber nicht bzw. finde zu wenig, um sein Ansinnen beurteilen zu können.

Habt ihr Tipps zu Autoren bzw. zu Büchern von Autoren, bei denen eine extremistisch ideologische Deutung der Thematiken Runologie und germanische Methologie auszuschließen und eine möglichst wissenschaftliche Herangehensweise gegeben ist? Die darauf basierende zweite Frage ist vermutlich die Gretchenfrage: Wie versucht ihr, euch von solcher Literatur möglichst fernzuhalten?
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Blumenfee
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Blumenfee »

rastatux hat geschrieben: 18.04.2021, 21:34 Ich beschäftige mich wieder mit Fachliteratur zum Thema Runen und Germanischer Mythologie, wobei sich meine Bibliothek aus Géza von Neményis "Heilige Runen" und Wolfgang Golthers "Germanische Mythologie" zusammensetzt

Zu Nemenyi hast du ja selbst schon recherchiert. Golther ist hoffnungslos veraltet. Auch auf die Gefahr hin, hier wieder wegen Eigenwerbung gescholten zu werden:

GardenStone "Germanischer Götterglaube" ISBN-13: 9783839131589
Gunivortus Goos "Germanische Magie" ISBN 978-3-946425-58-8
Gunivortus Goos "Illustriertes Lexikon der germanischen Gottheiten" ISBN-13: 9783751949804 (broschiert) ISBN-13: 9783752685725 (Hardcover)

Genauere Beschreibungen unter https://boudicca.de/de/bookshelf/

In "Germanische Magie" ist auch ein Kapitel "Runen und ihr Missbrauch in der Neuzeit" enthalten.


Gruß
Blumenfee

P.S. Kommentare zur Werbung bitte auf eine Postkarte schreiben und an eine beliebige Adresse versenden.
rastatux
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von rastatux »

Blumenfee hat geschrieben: 19.04.2021, 09:04
Zu Nemenyi hast du ja selbst schon recherchiert. Golther ist hoffnungslos veraltet. Auch auf die Gefahr hin, hier wieder wegen Eigenwerbung gescholten zu werden:
GardenStone "Germanischer Götterglaube" ISBN-13: 9783839131589
Gunivortus Goos "Germanische Magie" ISBN 978-3-946425-58-8
Gunivortus Goos "Illustriertes Lexikon der germanischen Gottheiten" ISBN-13: 9783751949804 (broschiert) ISBN-13: 9783752685725 (Hardcover)
Hallo Blumenfee,
Danke für deine Tipps! Ja, Golther ist an die 100 Jahre alt - Ich habe allerdings auch gehört dass es eine Art "Standardwerk" sei. Aber das ist nur eine subjektive Meinung irgendwo aus dem Internet... Da ich Anfangs noch keine Ahnung hatte was gut ist, habe ich einfach bestellt was (so nehme ich es an) gute Bewertungen hatte.

Falls noch jemand Tipps für andere Autoren hat - Gerne her damit :o)
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Heimdall
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Heimdall »

Blumenfee hat geschrieben: 19.04.2021, 09:04
P.S. Kommentare zur Werbung bitte auf eine Postkarte schreiben und an eine beliebige Adresse versenden.

:P Wird gemacht! :wink:

Heimdall :mrgreen:
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volker
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von volker »

Ein ganz einfaches Auswahlkriterium für mich persönlich:
Ich halte mich seit einiger Zeit einfach fern von Literatur oder Beiträgen von Autoren, die für sich selbst in Anspruch nehmen Priester oder Goden oder wer weiß was im germanischen Heidentum zu sein. Das entspricht nämlich nicht meinem ganz persönlichen Seriositätsanspruch, mag aber natürlich für andere der Seriositätsnachweis schlechthin sein.
Etwas mehr ins Detail gehend bei meiner persönlichen Auswahl:
Natürlich geht jedes Buch auch in eine Richtung oder kommt zu Ergebnissen, die man selber so vielleicht nicht vertritt, aber das ist normal und auch gut so. Vielfallt an Meinungen und Ergebnissen belebt schließlich auch das Heidentum.
Gardenstone, Mang, Oertel (bzw. seine Übersetzung) sind u.a. meine Favoriten.
Und jede Ausgabe mit fachakademischen Hintergrund halte ich außerdem auch noch für erst mal lesenswert. Aber Vorsicht, es gibt auch Autoren die vollmundig auf ein Studium verweisen, sogenannte Fachbücher schreiben (nicht zu verwechseln mit Sachbüchern) aber gar keinen akademischen Abschluss in dieser Fachdisziplin vorweisen können. (Merke: Der alleinige Besuch einiger Semester Skandinavistik oder Theologie, ohne Abschluss, machen zwingend noch keinen Fachmann. Ebenso wenig ein abgeschlossenes Studium in einem ganz anderen Studiengang)
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von [+] »

Ich frage Autoren, deren Bücher mich interessieren, nicht nach ihren parteipolitischen Vorlieben. Meine gehen ja auch keinen was an. Skeptisch werde ich bei denen, die gleichzeitig irgendwelche Firmen (oder Vereine ;)) vertreten, denn da sehe ich das Risiko, dass so ein Buch nicht viel mehr ist als ein teurer Werbeprospekt und da gucke ich dann lieber doch gar nicht erst rein.
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Aethelstan1984 »

Pauschal lässt sich das nicht beantworten, aber ich sehe es bei akademischer Fachliteratur so wie Volker und achte auf den akademischen Hintergrund des/der Autor*in. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass "Laien" nicht ebenfalls gute und anspruchsvolle Werke schreiben können, wenn sie sich eingehend mit einem Thema beschäftigt haben.
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Heimdall »

Der akademische Hintergrund ist bei Jan de Vries gegeben, er hat als Philologe wissenschaftlich gearbeitet und seine "Altgermanische Religionsgeschichte" beispielsweise zeugt von einer unglaublich genauen Arbeit und einem bemerkenswerten Wissen. Er zitiert ganz selbstverständlich historische griechische Texte, belegt seine Ausführungen ganz genau mit archäologischen Funden und Textquellen.

Auch Rudolf Simek bezieht sich auf ihn. Simek ist sehr zu empfehlen. Er ist Prof. an der Uni Bonn bzw. eher war, er ist jetzt wahrscheinlich emeritiert.

Bei Jan de Vries bleibt mir wegen seiner Nähe zur SS ein Unbehagen. Trotzdem beziehen sich sämtliche Wissenschaftler, die sich mit der germanischen Mythologie beschäftigen, bis heute auf ihn. Er hat wohl unverzichtbare Werke geschaffen.

Akademisch ist also nicht gleich frei von rechtem Denken oder entsprechenden Verstrickungen.

Grüße vom ratlosen Heimdall :?
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von [+] »

Nun, zwischen 1933 und 1945 hatte man eigentlich nur die Wahl zwischen SS und unsanftem Ableben.
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Markus Nicklas
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Markus Nicklas »

[+] hat geschrieben: 24.04.2021, 15:55 Nun, zwischen 1933 und 1945 hatte man eigentlich nur die Wahl zwischen SS und unsanftem Ableben.
Bedaure, doch das stimmt so für mich nicht. Ich könnte durch diesen Vergleich auf den Gedanken kommen, dass die so genannte Organisation der Nationalsozialisten einen lebenserhaltenden Auftrag hatte. Leider komme ich gerade aus einer Veranstaltung, die mir einmal mehr klar gemacht hat, wie schwer das Erbe der NS-Zeit wiegt, und wie wenig es in den Familien aufgearbeitet ist. Diese Tatsache hat das Leben meiner Familie auf Seiten meiner Mutter und meines Vates grauenvoll verkompliziert. Da spielen allerdings auch gesellschaftliche Verhältnisse hinein - Obrigkeitshörigkeit, Frauenverachtung, patriachaler Machtmissbrauch - die sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas entwickelt haben.
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von [+] »

Was für dich stimmt und was nicht, bleibt dir ja unbenommen. :)

Wenige waren freiwillig bei der SS, würde ich behaupten. Meine Quellen sind da allerdings auch nicht besser als deine.
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Heimdall
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Heimdall »

Niemand musste in die SS eintreten. Diejenigen, die in dieser Truppe waren, waren überzeugt vom Nationalsozialismus.
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volker
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von volker »

Eine gewisse Skepsis bei Werken von ehemaligen SS-Angehörigen erscheint mir persönlich sehr angebracht. Was SS-Nähe im angesprochenen Fall bedeutet entzieht sich meiner Kenntnis.
Ein Ergänzung von mir: "Zumindest in der Endphase des Krieges wurden auch, vor allem Angehörige sehr junger Jahrgänge, zur SS eingezogen und zwar ausdrücklich ohne sich freiwillig zur SS gemeldet zu haben."
Ob man da als junger Mensch nein sagen konnte kann ich nicht beurteilen.

Ein bekanntes Beispiel ist einer der eher linken Vorzeigeintellektuellen, der spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der ab dem 10.11.1944 Soldat der Waffen-SS war, später aber auch Wahlkampf bzw. Wahlkampfpräsenz bei der SPD und den Grünen gemacht hat. Der kam mit 17 Jahren zur SS, hatte sich aber eigentlich "nur" freiwillig zur Wehrmacht gemeldet.

Trotzdem glaube ich gibt es genug (auch ältere) Literatur über heidnische Themen der Autoren nichts mit Derartigem zu tun hatten.
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Heimdall
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

Beitrag von Heimdall »

Jan de Vries ist 1890 geboren worden, war also 1933-1945 kein junger Mann mehr. Als niederländischer Professor war er mitnichten genötigt, mit der SS zusammenzuarbeiten.

"1946 verlor de Vries als Kollaborateur seine Professur in Leiden. Seine Mitgliedschaft in der Königlichen Akademie wurde für beendet erklärt. Er wurde interniert und 1948 in einem Prozess der geistigen Kollaboration für schuldig befunden. Die Haftstrafe war mit der Internierung abgegolten." (Wikipedia, Jan de Vries).

Die SS übernahm die Verwaltung der Polizei. Wer seinen Dienst nicht quittieren wollte, war unfreiwillig dabei, genauso wie die ganz jungen Männer, in diesem Punkt hast Du recht, @Volker. Als herauskam, dass Günther Grass in der Waffen-SS war, hat er dafür erhebliche Prügel kassiert, hauptsächlich deshalb, weil er es vertuscht hatte und immer großartig dabei war, andere mit einer entsprechenden Vergangenheit anzuprangern.

Alle anderen waren freiwillig und aus Überzeugung dabei. Die SS war eine verbrecherische Organisation.

"Die Schutzstaffel (SS) war eine nationalsozialistische Organisation in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus, die der NSDAP und Adolf Hitler als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente. In ihren Verantwortungsbereich fielen ab 1934 Betrieb und Verwaltung von Konzentrations-, ab 1941 auch von Vernichtungslagern, sie war sowohl an der Planung wie an der Durchführung des Holocausts und anderer Völkermorde vorrangig beteiligt.

Die SS wurde am 4. April 1925 von Hitler als persönliche „Leib- und Prügelgarde“ in München gegründet.[1] Ihr Sitz war zuletzt im SS-Hauptamt, Prinz-Albrecht-Straße (heute: Niederkirchnerstraße), in Berlin. Sie unterstand ab dem Reichsparteitag 1926 der Sturmabteilung (SA), übte ab 1930 zugleich aber den parteiinternen „Polizeidienst“ aus. Entscheidend geformt und geprägt wurde sie durch Heinrich Himmler.[2]" (Wikipedia, Schutzstaffel)

[+] hat geschrieben: 24.04.2021, 15:55 Nun, zwischen 1933 und 1945 hatte man eigentlich nur die Wahl zwischen SS und unsanftem Ableben.

Eine solche Aussage zeugt von einer unglaublichen Unkenntnis unserer Geschichte.
Wer Mitglied in der SS war, machte sich mitschuldig an den Verbrechen der Nazizeit. Es gab "Mitarbeiter" in Konzentrationslagern, die es dort nicht aushielten. Diese wurden versetzt. Ein anderes Beispiel ist das sogenannte Euthanasieprogramm im Dritten Reich. Nach immensen Protesten der Kirchen und der Bevölkerung wurde das Programm eingestellt. Es war möglich sich zu wehren. Leider setzte sich die Bevölkerung nicht in diesem Maße für die jüdischen MitbürgerInnen und gegen die KZs ein, da gab es keinen kollektiven Widerstand. Niemand war gezwungen mitzumachen. Hätte Hitler keinen Rückhalt in der Bevölkerung gehabt, hätte er all diese Verbrechen nicht umsetzen können. Hitler war demokratisch gewählt. Er hatte leider von Anfang an eine breite Unterstützung in der Bevölkerung.
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Re: Wie findet ihr Fachliteratur von "unverdächtigen"?

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Heimdall hat geschrieben: 01.05.2021, 16:44 Alle anderen waren freiwillig und aus Überzeugung dabei. Die SS war eine verbrecherische Organisation.
Alle außer Günter Grass? Wo hast du denn diese ulkige Meinung her?
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