Guten Morgen. Zwar etwas spät - nun meine Meinung zu dem Buch:
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<BR>Das \"Heidnische Jahrbuch\" kam erstmalig 2006 auf den Markt als der Versuch, verschiedene Strömungen des Heidentums in Europa einzufangen und facettenreich wiederzugeben. Hierzu sollte auch der Bezug zum Kult nicht fehlen - aus diesem Grund finden sich zum Ende des Buches Konzert-, Seminar- und andere Kulturempfehlungen sowie Rezensionen für den Bücher- und Musikmusik aus dem heidnischen Spektrum. Inzwischen gibt es auch eine Ausgabe für das Jahr 2007. Beide Bücher sind erschienen im Fachverlag Daniel Junker der dem ein oder anderen ein Begriff sein könnte durch Werke wie \"Gott in uns\" oder \"Dänisches Heidentum\". Herausgeben wurde das Werk von Daniel Junker und Holger Kliemannel.
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<BR>Zu den Einzelbeiträgen:
<BR>\"Was ist Neopaganismus\" von Baal Müller
<BR>Einstufung: wissenschaftlich, kirchengeschichtlich, theologisch-philosophisch
<BR>Man sollte eigentlich meinen, dass Begriffsbestimmungen dem Heidentum helfen sollten konkretere Züge herauszuarbeiten - in diesem Sinne ist der Beitrag von Müller keine allzu große Hilfe. Die Fußnoten nehmen den Großteil der detaillierten Ausführungen ein, es wird Bezug zu den monotheistischen Glaubensformen von Christen und Moslems genommen, bis hin zu einem Exkurs über den Begriff \"Volk\". Aller für den Theologiestudenten ganz interessant - für den Laien jedoch einfach zu starker Tobak. Man mein geradezu dass Müller absichtlich kompliziert verklausuliert schreibt - vielleicht in der Absicht das Niveau zu erhöhen? Oder um sich ungreifbar gegenüber christlichen Kritikern zu machen? Ich weiß es nicht. Mich hat der Autor damit jedenfalls nicht beeindruckt, da es nun mal die Lesbarkeit sehr erschwert - wenn man ständig mit Lexika und Wikipedia bewaffnet versucht den Ausführungen zu folgen. Zum Veranschaulichung was ich damit konkret meine ein Auszug aus der Fußnote Nr. 65(!): \"Selbstverständlich hängt die Wortlautbildung auch mit der spezifischen Medialität der Überlieferung zusammen; es wäre jedoch falsch, wenn man, ausgehend vom heutigen Allgemeinverständnis, die Variabilität der mündlichen und die Bindung der schriftlichen, weil schriftlich \"fixierten\", Überlieferung zumessen wollte. Umgekehrt ist die Wortlautbildung in der oralen Kultur aufgrund effektiver Mnemotechniken und des weitgehendes Fehlens eines individuellen künstlerischen Selbstverständnisses der Überlieferungsträger ungleich ausgeprägter als in den literalen, in der gerade wegen der verschriftlichten Präsenz des Vergangenen ein starker Innovationszwang besteht, nachdem sich erst einmal die gesellschaftliche Rolle des Schriftstellers herausgebildet hat\". Erst auf den letzten Seiten kommt Müller zum Punkt. Zu spät - denn da haben die meisten bereits abgeschaltet... Oder anders ausgedrückt: Was hilft einem der beste Inhalt wenn ihn keiner versteht?
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<BR>\"Arbogast - der vergessene Held\" von Kurt Oertel
<BR>Einstufung: begleitende, kommentierte Sage
<BR>Im krassen Gegensatz zum vorherigen Beitrag bläst Oertel im besten Sturm- und Drang Stil zum Angriff: Fesselnd, plastisch und durchgehend objektiv / sachlich trägt der Verfasser die Geschichte des Helden Arbogast vor. Der geschichtliche Hintergrund spielt im Rahmen des 4. Jahrhundert im Umfeld des römischen Kaiser Theodosius I. Guter Stoff im Stil eines Felix Dahn vorgetragen - einer der besten Beiträge des Jahresbuches.
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<BR>\"Wunderglaube im Heidentum und in der alten Kirche\" von Hans-Jürgen Lange
<BR>Einstufung: kirchengeschichtliche Abhandlung
<BR>Wenn hier von Heidentum die Rede ist - dann eher im Bereich des römischen Pantheons bzw. im abstrakten Sinne. Es geht wie im ersten Beitrag wieder um die mannigfaltigen und zerstrittenen Ansichten des Frühchristentums sowie deren Ausläufe ins Heidentum. Kein Wunder - muss sich doch jeder Christ entscheiden wie viel er von welcher älteren Religion in seine neue Heilslehre integrieren will
Die Fußnoten werden zwar nicht weniger - aber der Schreibstil ist durchweg verständlich. Interessanter, ab letzten Endes für das germanische Heidentum eher sekundär wichtiger Beitrag.
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<BR>\"Die Götter der Erfahrungsreligion wieder verstehen\" von Reinhard Falter
<BR>Einstufung: religiös-gefärbter Beitrag im Spektrum der europäisch-südheidnischen Traditionen (griechisches und römisches Pantheon)
<BR>Auch hier frage ich mich allen ernsten wohin die Reise gehen soll: Gibt es kein germanisches oder keltisches Heidentum mehr? Da die Verfasser alle aus Deutschland kommen müssen sie sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Auch hier geht es um Definitionen wie Offenbarungs- Erlösungs- oder Glaubensreligion, um Stifter- und Naturreligionen, um Mono- und Polytheismus. Besonders stellt der Autor den Wert des Mythus sowie die Bedeutung des jeweiligen Ortes (kein wahlloses Austauschen von Archetypen) heraus. Der Betrag ist mit passendem Bildmaterial ergänzt. Fazit: Wer sich für römische- bzw. griechische Götterkunde interessiert - ein guter Beitrag.
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<BR>\"Die Freiheit eines Heidenmenschen\" von Fritz Steinbock
<BR>Einstufung :Ethik im germanischen Heidentum
<BR>Endlich! Die Erlösung! Da germanisches Heidentum wird in den Vordergrund gerückt. Klar strukturiert auf den Punkt gebracht. Die damalige und inzwischen umbenannte Odinic Rite Deutschland (ORD) wagte einen Spagat zwischen den Blöcken \"völkisches\" und \"universalistisches\" Heidentum. Steinbock ist prinzipiell für ein dogmenfreies Heidentum, das auch einen gewissen Spielraum für die religiöse Individualität lässt - doch stets eingebettet in die eigene Tradition und den germanisches Ritus. Kosmopolitisches, beliebiges Austauschen von Elementen aus anderen Kulturen hält auch er nicht für sinnvoll bzw. erstrebenswert. Fazit: Kurz, prägnant, lesenswert.
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<BR>\"Zieh mit den Wölfen\" von Alex Jahnake
<BR>Einstufung: archaischer Beitrag zum Totemkult bzw. den Männerkriegsbünden
<BR>Hervorragend Steigerung gegenüber den eher philosophisch angehauchten Beiträgen. Nun wird es konkret, archaisch und bodenständig. Der Begriff des Kriegers wird in Geschichte und Gegenwart analysiert und gegenüber gestellt. Ein wichtiger Beitrag wider einer totalen Wehrlosigkeit. Für mich persönlich einer der besten und essentiellsten Beiträge.
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<BR>\"Grottis Zaubermühle\" von Voenix
<BR>Einstufung: Germanisch-nordische Mythen
<BR>Der bekannte Künstler Voenix (u.a. \"Weltenesche - Eschewelten\") Voenix begeistert uns hier mit einer kurz Geschichte um eine ganz besondere Mühle - der Edda entlehnt. Nett zur Auflockerung und wie immer blendend illustriert.
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<BR>\"Hermann Hendrich - Mythenmaler und Tempelkünstler\" von Thomas Lückewerth
<BR>Einstufung: Kunst & Kultur im Bereich der germanischen bzw. slawischen Mythologie
<BR>Hendrich sollte man als Heide kennen ? zumal seine großartigen Götterhallen (z.B. die Walpurigshalle in Thale) immer mehr in Vergessen geraten. Lückewerth spricht hier von einer Einführung - dafür ist die Tiefe und Detailgenauigkeit beachtlich. Passende Photos und Bilder runden den Beitrag ab. Der Maler Hendrich passt vorzüglich in dieses Jahrbuch.
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<BR>\"Runen und Ursprache\" von Frank Cebulla
<BR>Einstufung: Runenkunde
<BR>Auch ein Betrag zur Runologie bzw. Runosophie darf natürlich nicht fehlen. Hier geht es speziell um die Runen Berkana und Pertho sowie den postulierten Kontext zur \"Weißen Göttin\". Wenngleich der Artikel etwas esoterisch und spekulativ daherkommt - erweitert es doch immens den Interpretationsspielraum der wissenschaftlich noch nicht gänzlich umschlossenen Runen. Eine Tabelle zur Herkunft der Wortes \"Rune\", rundet den Beitrag ab.
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<BR>\"Bastle Dir Deine eigene Gottesmaschine\" von Romero E. Sotes
<BR>Einstufung: Psychologie
<BR>Interessanter und hintergründiger Artikel zu Themen wie \"Freier Wille\", \"Sinn des Lebens\" oder auch \"Chaos und Ordnung\". Bestens garniert mit ein paar Seitenhieben auf die christliche Kirche(n)...
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<BR>\"Schamanisches Tanzen\" von Vicky Gabriel
<BR>Einstufung: Schamanismus
<BR>Schamanismus ist nicht jedermanns Sache. Eine haben einen \"Zugang\" - andere kennen sich noch so vergeblich bemühen. Gabriel startet einen neuen Versuch um uns einen Weg in die \"Anderswelten\" zu ermöglichen. Der Praxisbezug ist überdeutlich. Wenngleich es auch im germanischen Heidentum eine gewisse schamanische Tradition gibt (Odin, Seidr-Kunst, archaische Tierkriegerbünde usw.) - ist dieser Artikel was die Tradition betrifft - recht offen gehalten so das er auch auf andere Kulturkreise übertragbar ist.
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<BR>\"Die Visionssuche\" von Gerhard Popfinger
<BR>Einstufung: Schamanismus
<BR>In eine ähnliche Richtung wie Gabriel geht Popfinger. Ihm geht es jedoch in erster Linie um Initiationsriten und Visionsreisen. Beide sind auch im germanischen Heidentum unentbehrlich. Ein würdiger Abschluss des Buches - einschließlich guter Definition und Bezug zu den indigen Riten der nordamerikanischen Indianer.
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<BR>Gesamtfazit: Einige der Beträge sind extrem kopflastig verfasst und haben nur selten einen konkreten Bezug zum germanischen Heidentum. Andere wiederum passen wie die Faust aufs Auge. Der Umfang - nicht zu vergessen die vielen Rezensionen, der Veranstaltungskalender usw. strotzen jedoch nur so von einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. In der Summe ist dieser Erstling zwar nicht perfekt - doch ein mehr als nur guter Auftakt ist geglückt. Mehr Abwechslung kann mich sich jedenfalls kaum wünschen. Ich wünsche mir nur für 2007 ein wenig weniger Fußnoten - und eine bessere Lesbarkeit der Artikel.
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<BR>mit Asatru Gruß,
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<BR>Modorok.
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[addsig]