Die Achsenzeit in der Weltgeschichte

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Haganrix
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Die Achsenzeit in der Weltgeschichte

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Die Achsenzeit in der Weltgeschichte (Schmuel N. Eisenstadt)
Brigitte Schluchter übersetzte den Text The Origins and Diversity of Axial Age Civilisations, von S. N. Eisenstadt, 1986 in Albany von der State University of New York Press herausgegeben. Der deutschsprachige Sammelband trägt den Titel Die kulturellen Werte Europas, herausgegeben von Hans Joas und Klaus Wiegandt, 2. Aufl. Frankfurt am Main 2005.

Worum geht es dabei? Schauen wir dabei vielleicht zunächst einmal in das Glossar des Buches:

Achsenzeit Nach einer These von Karl Jaspers (1949) die Zeit zwischen 800 und 200 v. Chr, in der sich die Grundstruktur aller Weltreligionen und Philosophien herausbildete. Weitgehend unabhängig voneinander erfolgten jeweils ein Bruch mit dem mythischen Weltbild und die Entdeckung der Transzendenz. D.h. es kommt jeweils zu einer scharfen räumlichen Trennung zwischen dem Weltlichen und dem Göttlichen. Das Göttliche wird dabei als das Wahre dem notwendig defizitären Irdischen gegenübergestellt. Aus der so entstehenden Spannung können Impulse zur Veränderung des Irdischen hervorgehen.

Das ist zugleich das "abstract" der Ausführungen Eisenstadts, der diesen Prozeß in vielen Teilen der Welt als unanbhängig voneinander stattfindend diagnostiziert:

"im alten Israel, im Judentum des zweiten Tempels und (später) im Christentum; im alten Griechenland; nur teilweise im zarathustrischen Iran; im frühen kaiserlichen China; im Hinduismus und Buddhismus; und, schon nach der eigentlichen Achsenzeit, im Islam." (S. 40)

Zum Inhalt:
Zu dieser Sichtweise gehört, "daß man sich zunehmend an einer Realität jenseits der gegebenen orientiert; neue Begriffe von Raum und Zeit aufkommen; die Konzeptionen der kosmischen und sozialen Ordnung radikal problematisiert werden; das Denken reflektierter wird und sich auch selbst zum Gegenstand macht; und schließlich aus den resultierenden Modellen neue Probleme erwachsen (die Aufgabe, die Kluft zwischen den postulierten Realitätsebenen zu überbrücken." (S. 42)

(aus der Einleitung von Johann P. Arnason in: Johann P. Arnason, S. N. Eisenstadt und B. Wiitrock (Hrsg.) 2004, Axial Civilisation an World History. Leiden: Brill Academic Publishers)


"Diese Sichtweise erzeugte eine starke Neigung, das weltliche Leben, etwa die soziale Ordnung, die Persönlichkeit sowie die kulturellen Tätigkeiten, neu zu gestalten. Zum anderen weckte sie ein Bewußtsein davon, daß es eine Welt jenseits der unmittelbaren Grenzen der jeweiligen Gesellschaft gebe, eine Welt gleichsam, die der Gestaltung offenstehe." (S. 42)

Zu den Trägern der Entwicklung:
"Das Neue, was sie brachten, waren Vorstellungen zwischen der transzendenten und der weltlichen Ordnung. Diese neuen ontologischen Konzeptionen wurden zuerst von kleinen Gruppen autonomer, relativ ungebundener "Intellektueller" (einem neuen sozialen Element zu jener Zeit), insbesondere den Trägern kultureller und sozialer Ordnungsmodelle, entwickelt, bis sie schließlich zu den "herrschenden" Prämissen der jeweiligen Kultur geworden, d h. institutionalisiert waren. Das bedeutet, sie wurden zu den dominaten Orientierungen sowohl der regierenden als auch vieler sekundärer Eliten und waren damit in die Subzentren ihrer Gesellschaften eingezogen.
Aus den Vorstellungen von einer Kluft zwischen dem Transzendenten und dem Profanen erwuchs das Bestreben, die profane Welt - die menschliche Persönlichkeit, die sozialpolitische und wirtschaftliche Ordnung - nach Maßgabe der transzendenten Vision zu gestalten, die in Religion, Metaphysik und/oder Ethik formulierten Prinzipien einer höheren Ordnung in dieser Welt zu verwirklichen
." (S. 40/41)

Axial Age ist also zu einem Begriff der Geschichtswissenschaft geworden. Und diesem Begriff immanent ist die Entdeckung der Transzendenz, ihre Unterscheidung vom Profanen und der Eingang dieser Begrifflichkeiten in die "Denke" der Gesellschaften. Für das alte vorchristliche Griechenland, für Indien und China, Hindusimus und Buddhismus, läßt sich das nicht ernsthaft bestreiten. Die eigentliche Kernzeit der "Achsenzeit" wird mit 600 Jahren angegeben (zwischen 800 und 200 v. Z.). Sollten die germanischen und keltischen Völker davon wirklich unberührt geblieben sein? Was spricht dafür, was eigentlich dagegen?
Der Geist schaut alles zugleich, während die Rede eines nach dem Anderen erzählt (Salustios, Von den Göttern und der Welt, Kapitel IV, Abschnitt 9).
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