Teil der Natur

Seidr, Runen, Magie ...
m3SSi
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Beitrag von m3SSi »

[quote='literatomorph','index.php?page=Thread&postID=143566#post143566']So, ich habe den Text von Prof.Simek nochmal studiert.
Es ist mir schleierhaft wieso er unbedingt Snorri die Intention unterstellen will diesen gesamten Asen-Vanenkrieg zum umschreiben realpolitischer Konflikte seiner Lebenswelt verwendet. Dafür bricht er sich mehr als einen Zacken aus der Krone. Ich kann die gesamte Argumentation, sowie ihre für mich fast lachhafte Tabellenauflistung und Abzählung am wissenschaftlichem Abacus nicht nachvollziehen.
Allein im Alwismål kommt der Begriff Vane sehr oft vor(nein ich zähle jetzt nicht) und meines Wissens nach ist der Text nicht von Snorri. Vielleicht liege ich ja auch falsch, aber ich konnte diese Beweisführung samt des reißerischen Titels nichts abgewinnen.
Gruß
Philipp[/quote]Das Alwismal ist eine sehr späte Schrift, die wohl am ehesten ins späte 12. Jahrhundert datiert wird (Es werden spätmittelalterliche Kenningar verwendet). Dort werden in der Tat die Wanen als Götterfamilie aufgeführt. Da die Schrift aber zeitlich in Snorris Umfeld passt und er auch direkt daraus zitiert, wäre es ein Zirkelschluss zu behaupten, die Wanen wären in heidnische Zeit damit belegt.

Ganz kurz und pointiert möchte Simek damit folgendes sagen:

Die Bezeichnung Wanen taucht nur drei mal in der skaldischen Dichtung auf, wovon nur eine in der heidnischen Zeit liegt. Ausgerechnet in der Eiriksmal ist der Kontext nicht klar.

2

‘Es mér ór heimi

h?lða vánir

g?fugra n?kkurra,

svá es mér glatt hjarta.’
‘I expect certain glorious men from the world [of the living], so my heart is glad.’


Darauf aufbauend wird angezweifelt, ob es dann wirklich Sinn macht, von einer zweiten Götterfamilie zu sprechen, wenn es keine authentischen Quellen aus heidnischer Zeit gibt. Das spricht übrigens nicht gegen das literatische Konzept, denn die Wanen kommen in der Mythologie sehr gut weg und erfreuen sich heute großer Beliebtheit. Beweise für eine zweite Götterfamilie sind aber sehr rar.
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Waldtochter
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Beitrag von Waldtochter »

Dass Odins Runenlied so jung sein soll ist mir neu. In jedem Fall wurde es immer als Quelle für Snorri verwendet - niemals anders herum. Aus diesem Grund kann man Snorri in dem Moment auch nicht länger das Erfinden von Falschinformationen vorwerfen. Gleiches mit der Alvíssmál. Ich fände es schon höchst beeindruckend, wenn zu einem Zeitpunkt, in dem das Christentum in Island herrschte, plötzlich Konsens darüber geherrscht hätte, dass man mal eben die Vanen, Hel und die 9 Welten erfindet. Und noch einen Tick vermessener finde ich es, dass wir heute, die wir keine Ahnung haben, erstmal alles als Falschinformation abtun, was Snorri schreibt, gleichwohl er 1. viel näher an der heidnischen Zeit lebte, 2. viel mehr Quellen zur Verfügung hatte als wir es heute haben und 3. auf ältere Texte verweist, die wir im Falle der Lieder-Edda oder mancher Skaldenlieder sogar zur Hand haben.

Erste Hinweise darauf, dass die Runen von den Götter stammen, finden wir auf einem Runenstein, der vor das Jahr 500 datiert wird. Um die Runen zu erlangen, musste Odin laut Snorri 9 Welten durchreisen. Kenningar und Heiti deuten daraufhin, dass Odin ein wandernder Gott war. Dies mögen keine Beweise sein, die 100%ige Sicherheit liefern, aber sie sind starke Indizien, die Zweifel dieser Art in meinen Augen auch ein bisschen ad absurdum führen.
Aber in der heutigen Wissenschaft scheint ohnehin die Devise vorzuherrschen, dass irgendwann alles mal bestritten werden muss, damit der wissenschaftliche Dialog nicht einschläft.
m3SSi
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Beitrag von m3SSi »

Niemand spricht von Falschinformationen oder reinen Erfindungen. Snorri war ein gelehrter, hochintelligenter Mann und genau deswegen hat er versucht, zu strukturieren und Inkonsistenzen auszubügeln. Die heidnischen Religionen sind/waren nun mal ein Wildwuchs an Ideen und Praktiken.
Es wird auch nicht bezweifelt, dass z.B. Odin die Runen erlangt hat. Das ist in vielen Quellen außerhalb der Edda gut belegt. Fraglich ist nur, ob dieses Lied genau in der Form bereits in heidnischer Zeit bekannt war oder ob der Dichter nicht aus seiner eigenen Zeit neue Ideen beigemischt hat. Aus diesem Grund seziert die Wissenschaft die einzelnen Lieder ziemlich genau, um im Vergleich mit anderen Quellen genau das herauszufinden. Die Edda ist zuerst Dichtung, danach Quelle für religiöses Leben der Germanen.
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Waldtochter
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Beitrag von Waldtochter »

Die Edda ist zuerst Dichtung, danach Quelle für religiöses Leben der Germanen.
Dafür spricht nicht ihr Aufbau. Wir wissen natürlich nicht, welchen Zweck der Mönch verfolgte, der sie aufschrieb, aber stünde die Dichtung im Vordergrund, könnte man davon ausgehen, dass die Lieder nach Versmaßen sortiert worden wären. Dem ist aber nicht so, sie sind inhaltlich geordnet - einmal in Götter- und Heldenlieder und einmal sowohl innerhalb der Götter- als auch der Heldenlieder nach Chronologie und Sinnhaftigkeit.
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Haukrinn
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Beitrag von Haukrinn »

Daraus auf eine religiöse Intention zu schließen halte ich für extrem weit hergeholt. Aber ich verstehe den extrem hohen Stellenwert der nordischen Liederdichtung für das eigene religiöse Ausleben ja sowieso nicht.. Für mich ist die Edda eine Sammlung unterhaltsamer und oft auch lehrreicher Geschichten. Mein religiöses Leben beeinflusst das was da drin steht dagegen gar nicht.
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Waldtochter
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Beitrag von Waldtochter »

Meinst du Lieder- oder Snorra Edda?

Wenn wir keins von beidem hätten, dann vermute ich, wären 90% aller Heiden niemals Heiden geworden. Allein aus den anderen Quellen wäre das Bild so extrem bruchstückhaft, dass es keinen Sinn machen würde, an so etwas zu glauben. Da könnte man sich gleich irgendwelche Götternamen ausdenken.
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Schwanenfuß
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Beitrag von Schwanenfuß »

Da könnte man sich gleich irgendwelche Götternamen ausdenken.
Ich für meinen Teil meine, dass man das auch durchaus tun könnte.

@Haukrinn: Stimme da mit dir zu 100% über ein.
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Haukrinn
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Beitrag von Haukrinn »

Waldtochter, pragmatisch gesehen ist das Annehmen einer polytheistischen Mythologie ja vor allem zwei Faktoren geschuldet:
1. Faulheit: so muss ich mir keine eigenen Götter und keine Mythologie um diese herum ausdenken
und
2. Gemeinschaftsgefühl - ich finde so viele Leute die dieselben Namen und Attribute für bestimmte Dinge verwenden ohne dass man sich werweißwie kompliziert abstimmen muss.

Ich könnte mich natürlich in meine einsame Hütte im Fjord zurück ziehen, da vierzig Jahre an meiner gänzlich eigenen naturreligiösen Mythologie herum schrauben und diese dann annehmen - aber zumindest in meinem Sinne ist das nicht.

Da nehme ich doch lieber etwas gegebenes an. Das geht aber zumindest bei mir nicht so weit dass ich alles was ich zum Beispiel in der Edda finde gleich auf die Goldwaage legen oder der von mir persönlich erlebten physikalischen wie spirituellen Realität überordnen muss. :)
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Waldtochter
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Beitrag von Waldtochter »

Ich will mich hier absolut nicht zu einer Huldigung der Edda aussprechen wie es Buchreligionen mit ihren heiligen Schriften machen. Ich finde nur, dass man bedenken muss, welches Wissen wir allein durch die Eddas haben. Ich schätze, einige Götter wären gar nicht überliefert, die uns heute wie eine Selbstverständlichkeit erscheinen. Von den Sagen einmal ganz zu schweigen.
Beispiel Thors Fischzug: Ist auf einem Runenstein überliefert. Ohne Snorri aber hätten wir keine Ahnung, was für ein Gott dargestellt ist und warum er einen Fisch fängt. Ebenso gibt es Überlieferungen und Anspielungen auf Heimdall z.B. in der Skaldendichtung, die wir schlicht nicht einordnen können, weil wir die Sagen nicht kennen.
Waldtochter, pragmatisch gesehen ist das Annehmen einer polytheistischen Mythologie ja vor allem zwei Faktoren geschuldet:
1. Faulheit: so muss ich mir keine eigenen Götter und keine Mythologie um diese herum ausdenken
und
Ganz ehrlich? Der Absatz schockiert mich bis ins Mark. Wenn die Götter für dich dieselbe "Legitimation"/"Wahrheitsgehalt"/wie auch immer man es nennen möchte besitzen wie erfundene Götter, dann Mahlzeit. Dann heißt es nichts anderes als dass du die germanischen Götter für ebenso glaubwürdig hältst wie irgendwelche Fantasiegötter. Unter den Umständen frage ich mich dann, warum jemand überhaupt glaubt? Wegen des Glaubens an der Sache oder weil Atheist sein halt auch doof ist?
2. Gemeinschaftsgefühl - ich finde so viele Leute die dieselben Namen und Attribute für bestimmte Dinge verwenden ohne dass man sich werweißwie kompliziert abstimmen muss.
Das sind die beiden Möglichkeiten, aufgrund derer jemand Polytheist werden sollte?
Ähm ... und was ist mit den Inhalten?
Wenn mir der Sinn nach irgendwelchen Göttern stünde, dann hätte ich mir wohl eher irgendeine Fantasiegottheit herangezogen, die ich dann zumindest vollkommen verstehen kann. Und wenn mir der Sinn nach Gemeinschaft stünde, dann hätte ich mir sicherlich eine Religion gesucht, die in meiner Gegend besser vertreten ist.
Ich bin Heidin aus einem ganz anderen Grund und wie gesagt, es schockiert mich, dass es offenbar gar nicht um Inhalte u.Ä. geht, sondern einfach nur ... worum denn? Warum bist du Heide, Haukrinn? Weil Altnordisch so toll klingt? Weil Thor besseren Eindruck macht als Jupiter?
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Armin
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Beitrag von Armin »

Hätte ich heute nicht schoooon wieder eine fünfstündige Bahnfahrt hinter mir, die eigentlich 2 1/2 hätte dauern sollen und müßte ich nicht morgen früh so bald raus, würde ich gleich einen längeren Artikel schreiben, aber so muß fürs erste auch ein kurzer Reinplärrer genügen:

Für mich ist es schon auch ein bisschen viel starker Tobak, daß die Götter und die Mythologie nichts weiter sind als ein der Faulheit geschuldeter Verlegenheitswauwau. Dafür ist mir das ganze dann doch ein bisschen zu... wichtig?

In diesem Sinne erst einmal gute Nacht :sleeping:
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literatomorph
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Beitrag von literatomorph »

Nee,nee...
Also ich denke schon das man sogenannte Elementale( nicht zu verwechseln mit Elementaren) erschaffen kann, hier sind wir allerdings tief im Okkultismus. Es gab und gibt solche Dinge. So schaffen zB manche Logen einen Gruppengeist, einen Egreore.
Aber das sind keine Götter! Götter erfindet man nicht mal so eben beim Zähneputzen!
Ein Gott hat jedes Recht dir zu sagen er hätte dich erfunden :D
Gruß
Philipp
Invere Ing
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Toni
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Beitrag von Toni »

[quote='Waldtochter','index.php?page=Thread&postID=143596#post143596']Ganz ehrlich? Der Absatz schockiert mich bis ins Mark. Wenn die Götter für dich dieselbe "Legitimation"/"Wahrheitsgehalt"/wie auch immer man es nennen möchte besitzen wie erfundene Götter, dann Mahlzeit. Dann heißt es nichts anderes als dass du die germanischen Götter für ebenso glaubwürdig hältst wie irgendwelche Fantasiegötter. Unter den Umständen frage ich mich dann, warum jemand überhaupt glaubt? Wegen des Glaubens an der Sache oder weil Atheist sein halt auch doof ist?[/quote]...und was sind die Götter einer beliebigen Mythologie denn, wenn nicht Fantasygötter an die zufällig andere Menschen auch glauben? Wenn diese für dich wahrer sind als die die sich jemand selbst "ausdenkt", heißt das doch letztenendes nur, dass du die Legitimation deiner Götter von anderen Personen abhängig machst.

Also ich bin agnostischer Atheist. Ich glaube absolut nicht, dass irgendwo Asen in ihrem Asgard sitzen, oder dass die Welt von Odin aus dem Kadaver eines Riesen geknetet wurde. Sobald ich anfange an die Mythologie einer Kultur tatsächlich zu glauben, müsste ich nämlich versuchen zu evaluieren warum diese und nicht die einer anderen Kultur, die Wahrscheinlichkeit dass ich an die falsche glaube ist angesichts der großen Auswahl (und der Tatsache dass wir inzwischen einfach viel mehr wissen bzw. ziemlich sicher annehmen/ausschließen können als die Menschen zu deren Zeiten die Mythen entstanden) dann nämlich sehr groß. Und: nur weil viele Menschen an eine Sache glauben heißt noch nicht, dass sie wahrer/legitimierter ist als eine andere, an die weniger Menschen glauben.

Letztenendes ist auch bei den Asen jeder Gott für jeden Asatru irgendwie etwas anders, man verwendet ja trotzdem erstmal nur das gemeinsame "Grobkonstrukt" und entwickelt dann seine persönlichen Erfahrungen und Beziehungen zu den Asen und anderen Wesen. Für mich sind (eigene oder von anderen entwickelte) Mythologien Symbole für das Leben und seine Aspekte, da hat die germanische Mythologie halt einfach zu meinen Assiziationen besser gepasst als beispielsweise die christliche. Und ja, Faulheit ist ein Aspekt: wenn schon etwas einigermaßen passendes da ist, nehm ich mir erstmal das und passe es an meine Bedürfnisse an bevor ich komplett neu anfange. Aber letztenendes bin ich mir bewusst, dass das auch einfach nur Geschichten sind, die über lange Zeit weitererzählt wurden. Wie jede andere Religion/Mythologie auch (wer weiß, wieviele Mythen als Gutenachtgeschichten oder betrunken entstanden ;) ). Sogesehen wäre eine aus einer persönlichen Erfahung entstandene "eigene" Gottheit eigentlich sogar authentischer als eine die man erzählt bekommen hat und übernimmt (wie bei den Buchreligionen...).
(vormals Feri, um Verwirrungen bei/nach Things/Blots/Ostaras/usw. zu vermeiden jetzt direkt Toni ^^ )
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Leif
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Beitrag von Leif »

Ich hätte ja nie gedacht, dass sich so ein Thread zu einem derartigen Augenöffner entwickeln kann.
Was man hier von Mitgliedern zu lesen bekommt, die sich durch ihren Beitritt zu einer heidnischen Gemeinschaft eigentlich "der Wiederbelebung der vorchristlichen germanischen Religion" verschrieben haben, ist geradezu erstaunlich. Jetzt sind wir schon bei "Fantasygöttern" (Toni) angelangt, was als "pragmatisch" (Haukrinn) dargestellt wird. Es bleibt spannend was da noch so kommt. :)
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Toni
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Beitrag von Toni »

Der Begriff ansich kam nicht von mir, möcht ich mal dazu sagen...
(vormals Feri, um Verwirrungen bei/nach Things/Blots/Ostaras/usw. zu vermeiden jetzt direkt Toni ^^ )
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literatomorph
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Beitrag von literatomorph »

Hier wird es schwierig.
Ich halte die Göttet für genauso real wie zB. meine Frau.
Darüber kann man schlecht diskutieren. Ich will ja keinen Glauben durch Argumente unterfüttern. Das bringt nichts.
Warum glaube ich soetwas? Weil meine Erfahrungen mich dahin geführt haben.
Gruß
Philipp
Invere Ing
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