Hybris

religionswissenschaftliche und historische Themen ausserhalb des germanisch/skandinavischen Kontexts
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Verdandi42
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Hybris

Beitrag von Verdandi42 »

Den Medien war heute zu entnehmen, dass Jorge Mario Bergoglio, bekannt als Papst Franziskus, in Anbetracht der Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche, deren Oberhaupt er ist, eine ganz eigene Sicht auf die Dinge entwickelt hat.
Nämlich erinnere den Papst Kindesmissbrauch an die einst verbreitete "grausame" religiöse Sitte, Menschen, insbesondere Kinder, "in heidnischen Ritualen" zu opfern, so der Papst Franziskus auf der Missbrauchskonferenz im Vatikan.

Was für eine widerwärtige Rhetorik! Mal eben das eigene institutionelle Versagen klein erscheinen lassen wollen vor den mutmaßlichen Ungeheuerlichkeiten einer nicht näher spezifizierten Vergangenheit zeitlich oder örtlich ferner Kulturen. Und die Verbrechen, die sich im Schatten der römisch-katholischen Kirche ereigneten (und noch ereignen) mal eben als unkatholisch, sondern vielmehr als heidnisch einzuordnen.

Ich respektiere Katholiken, ich respektiere das Christentum insgesamt.
Was ich nicht respektieren kann, ist Feigheit, Unehrlichkeit und ungebrochene Überheblichkeit im Angesicht des eigenen Versagens!

Gruß
Petra
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volker
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Der also auch !

Beitrag von volker »

Also kann ich auch diesen Papst nicht mal mehr im Ansatz ernst nehmen, schade, wie kann eine Institution wie die katholische Kirche eine einmalige Gelegenheit derart verstreichen lassen, mit dem eigenen schändlichen Versagen in unzähligen Mißbrauchsfällen durch ihre eigenen "Seelsorger" bis in die Gegenwart hinein endlich mal aufzuräumen.
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Markus Nicklas
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

Verdandi42 hat geschrieben: 24.02.2019, 14:13
Ich respektiere Katholiken, ich respektiere das Christentum insgesamt.
Was ich nicht respektieren kann, ist Feigheit, Unehrlichkeit und ungebrochene Überheblichkeit im Angesicht des eigenen Versagens!

Gruß
Petra
Danke für Deine Stellungnahme, verehrte Petra. Danke für Deinen Bericht.

Ich möchte mich aktuell nicht mit der Verifizierung dieser Aussage befassen. Ich kann mir leider gut vorstellen, dass "Herr Sowieso" das verzapft hat. Auf mich wirkt das wie ein Ertrinkender, der im Todeskampf andere mitziehen will.

Ich sehe hin. Und mir verschafft ein solches Benehmen und sein Inhalt die Gelegenheit zu zeigen, dass ich das aushalte und durchstehe. Was ist ein Dämon? Welchen ursprünglichen Sinn hat der Begriff, Petra, bitte?

Ich wage die Äußerung, dass der Herr sich zu viel der Schönrederei hingegeben hat.

:(
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Verdandi42
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Re: Hybris

Beitrag von Verdandi42 »

@Markus: Bislang habe ich nur den Dämon kennen gelernt, den Max Weber in "Wissenschaft als Beruf" beschreibt.
;-)
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Aethelstan1984
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Re: Hybris

Beitrag von Aethelstan1984 »

Wenn der Papst von Heiden spricht, ist das natürlich sehr undifferenziert, da man nicht weiß, wen er konkret meint. Biblisch (und auch auch archäologisch) lassen sich ja tatsächlich "Heiden" fassen, die Kinder geopfert haben. Der Papst wählt hier eine Analogie, die durchaus Kritik an den Zuständen in der eigenen Kirche beinhaltet.
Heil Baldur, Heil Siegvaters Sohn,
der die Schöpfung wird leiten, wenn Wotan fällt
Heil dem Lichtbringer,
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Markus Nicklas
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

Verdandi42 hat geschrieben: 25.02.2019, 18:48 @Markus: Bislang habe ich nur den Dämon kennen gelernt, den Max Weber in "Wissenschaft als Beruf" beschreibt.
;-)
:D ich kenn den Text zwar nicht, hoffe jedoch nochmal Zeit zu finden mich der Protestantismus/Kapitalismus-These zu widmen. :D

"Und wer ist mit den Opfern?"

Ich kann Ressentiments gegenüber Menschen mit monotheistischen Glaubensvorstellungen mitempfinden. Die habe ich auch. Ich möchte mein Handeln nicht davon bestimmen lassen, weil mir die gemeinsame Lebenswelt mehr bedeutet als ...

Weche Form der Solidarität kann ich einer betroffenen Person bieten, ohne sie politisch zu instrumentalisieren? Mindestens nicht weg gucken. Dann vielleicht einen Moment länger den schmerzhaften Anblick ertragen.
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Markus Nicklas
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

Aethelstan1984 hat geschrieben: 25.02.2019, 21:47 Wenn der Papst von Heiden spricht, ist das natürlich sehr undifferenziert, da man nicht weiß, wen er konkret meint. Biblisch (und auch auch archäologisch) lassen sich ja tatsächlich "Heiden" fassen, die Kinder geopfert haben. Der Papst wählt hier eine Analogie, die durchaus Kritik an den Zuständen in der eigenen Kirche beinhaltet.
Einspruch.

Die Bibel ist kein historisches Dokument.

Und wer gibt wem das Recht, die Riten anderer Menschen zu beurteilen? Kennst Du die Geistesverfassung, aus der heraus irgendetwas vor X Jahren getan wurde? Ich möchte um Bedachtsamkeit bitten.

Jorge Mario Bergoglio - er wurde von einem Gremium gewählt, nicht wahr? Sein Vorgänger hat gezeigt, wie man aus der Nummer heraus kommt. :)
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Aethelstan1984
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Re: Hybris

Beitrag von Aethelstan1984 »

Die Bibel ist aber in einem historischen Kontext entstanden, in dem kanaanitische Kulte durchaus auch kinderopfer kannten. Deshalb erwähne ich die archäologischen Studien, die das belegen und die ich bei bedarf hier gerne aufführen kann. Ein anderes Phänomen ist das der Tempelprostitution über die sich biblische Autoren ebenfalls kritisch äußern und die für einige Kulturen des alten Orients auch außerbiblisch bezeugt ist.

Wir sollten hier nicht denselben Fehler wie der Papst machen und in ein schwarz-weiß Denken verfallen.
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Markus Nicklas
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

Aethelstan1984 hat geschrieben: 26.02.2019, 08:15 Ein anderes Phänomen ist das der Tempelprostitution über die sich biblische Autoren ebenfalls kritisch äußern und die für einige Kulturen des alten Orients auch außerbiblisch bezeugt ist.

Wir sollten hier nicht denselben Fehler wie der Papst machen und in ein schwarz-weiß Denken verfallen.
Heilige Triebabfuhr?! :D :oops: :D Tempelprostitution ?! :D :oops: :D

Bedaure, doch all das lenkt vom Bedürfnis der Opfer ab. Herr Bergoglio kann ja um kompetente Hilfe bitten.

:)
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Aethelstan1984
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Re: Hybris

Beitrag von Aethelstan1984 »

Naja, diese Diskussion hilft keinem der Opfer weiter. Ich bin froh, wenn die katholische Kirche das Thema jetzt offen angeht.
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Markus Nicklas
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

Aethelstan1984 hat geschrieben: 26.02.2019, 19:24 Naja, diese Diskussion hilft keinem der Opfer weiter. Ich bin froh, wenn die katholische Kirche das Thema jetzt offen angeht.
Danke. Allerdings möchte ich Dich um etwas bitten: PN. Und ich würde mich freuen, wenn Deine und meine Hoffnung etwas für diese Institution bewirkt. Danke. :)
Boduos

Re: Hybris

Beitrag von Boduos »

Unabhängig davon ob es den heimlichen und verschwiegenen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in vorchristlichen Gesellschaften gab, kann ich mir übrigens vorstellen aber nur als Randerscheinung, ist das keine Basis für eine Argumentation 1000Jahre später.

Und für grausame Sitten wie seelische Verstümmelung, Folter, Entleibungen, Bücherverbrennungen, Bildersturm, Menschenverbrennungen, Hexenwahn, die Zerstörung der natürlichen Sexualität und die tausend Jahre geistiger Finsternis von der uns erst die Renaissance erlöst hat reden wir nicht. Schwamm drüben.

In der Kirche ist wohl nicht angekommen das das eigene Verhalten relevant ist, nicht das Verhalten anderer.

Und nichts gegen Tempelprostitution. Das ist alter Brauch. Sieht für uns seelisch Verkrüppelte heute halt komisch aus.
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Aethelstan1984
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Re: Hybris

Beitrag von Aethelstan1984 »

Boduos hat geschrieben: 27.02.2019, 06:12
In der Kirche ist wohl nicht angekommen das das eigene Verhalten relevant ist, nicht das Verhalten anderer.
Von "der Kirche" zu sprechen, ist doch schon Beweis genug für deine undifferenzierte Argumentation. "Die Kirche" gibt es nicht und selbst in der katholischen Kirche gibt es ganz unterschiedliche Stimmen, insbesondere was den Umhang mit vergangenen und gegenwärtigen Verbrechen angeht. Es wäre wünschenswert, wenn auch unter Heiden nicht nur Feindbilder gepflegt würden, sondern ein ehrlicher Wunsch bestünde sich aufrichtig mit anderen Anbietern auf dem Glaubens- und Sinnmarkt auseinanderzusetzen.
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Re: Hybris

Beitrag von Markus Nicklas »

[/quote]

Von "der Kirche" zu sprechen, ist doch schon Beweis genug für deine undifferenzierte Argumentation. "Die Kirche" gibt es nicht und selbst in der katholischen Kirche gibt es ganz unterschiedliche Stimmen, insbesondere was den Umhang mit vergangenen und gegenwärtigen Verbrechen angeht. Es wäre wünschenswert, wenn auch unter Heiden nicht nur Feindbilder gepflegt würden, sondern ein ehrlicher Wunsch bestünde sich aufrichtig mit anderen Anbietern auf dem Glaubens- und Sinnmarkt auseinanderzusetzen.
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Feindbilder sind der Feind! Die Frage ist für mich, was ich brauche, um aus der Nummer heraus zu kommen. Das ist ein delikates Thema und gehört nicht in dise Art von Öffentlichkeit hier.

Es gibt Menschen, die anderen Menschen etwas antun. Ja, es gibt bestimmt unterschiedliche Meinungen in der sogen. katholischen Kirche, doch ihre Lehren und Strukturen bedingen leider institutionalisierten Missbrauch und die Deckung von Straftätern innerhalb des Systems.

Warum soll ich mich mit meinen Weltauffassungen in einen "Wettbewerb" begeben? Zeitvergeudung.

Und wieder erinnere ich mich an die Opfer. Ich erinnere mich daran Schwachen beizustehen. Ich erinnere mich daran, Kraftproben so zu begegnen, dass ich die Würde meines Kontrahenten achte. Ich erinnere mich daran, mir Gegner auszuwählen, an deren Geschick ich wachse.

Und als Mann will ich mit meinem Sex so umgehen, dass mein Partnermensch Genuss empfindet und ich dessen sicher bin.
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Re: Hybris

Beitrag von Aethelstan1984 »

Markus Nicklas hat geschrieben: 27.02.2019, 16:28
Von "der Kirche" zu sprechen, ist doch schon Beweis genug für deine undifferenzierte Argumentation. "Die Kirche" gibt es nicht und selbst in der katholischen Kirche gibt es ganz unterschiedliche Stimmen, insbesondere was den Umhang mit vergangenen und gegenwärtigen Verbrechen angeht. Es wäre wünschenswert, wenn auch unter Heiden nicht nur Feindbilder gepflegt würden, sondern ein ehrlicher Wunsch bestünde sich aufrichtig mit anderen Anbietern auf dem Glaubens- und Sinnmarkt auseinanderzusetzen.
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Es gibt Menschen, die anderen Menschen etwas antun. Ja, es gibt bestimmt unterschiedliche Meinungen in der sogen. katholischen Kirche, doch ihre Lehren und Strukturen bedingen leider institutionalisierten Missbrauch und die Deckung von Straftätern innerhalb des Systems.


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Das ist eine Frage, die ich legitim finde und über die man konstruktiv diskutieren kann. Allerdings kann eine Änderung der Strukturen im Sinne von Transparenz nur von innen erfolgen. Und da sehe ich die katholische Kirche jetzt auf einem guten Weg.
Wenn der Papst nun sagt, dass die Kirche nicht in"heidnische Rituale" verfallen darf, dann fühle ich mich dadurch nicht getroffen, denn ich weiß was er damit meint und nach innen hin ist das als scharfe Kritik zu verstehen.
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