Saga

Lyrik, Texte, Bilder und Musik aus dem Dunstkreis des Eldaring e.V.
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Rabenstolz
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Registriert: 17.05.2020, 13:59

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Beitrag von Rabenstolz »

Der wahre Zargen

Es trug sich vor nunmehr fünfhundert Jahren zu, dass Wodan bei den Menschen lebte. Sein Reich war fest gefügt, er selbst war König darin und zog in den Krieg wider die Kelten, denn sie verkamen. Als er all ihr Übel witterte, opferte er sein Fleisch und sprang in eine bessere Zukunft ab.
Dies riss ein Loch in den Zargen, jenen Bildern des Geschehens, anhand derer Geschichte damals berichtet wurde. Dabei verloren die Kelten sich selbst und wurden zu Römerlingen; ihr Herr Esus wurde zum Menschen und auf einen elenden Tod in die Wüste geschickt, als Taranis ihn dazu verdonnerte; das Christentum ward geboren.
Die Welt ging unter, und mit ihr das Reich. Merowinger erlangten die Macht und wandten sich dem Christentum zu, statt zu Wodan zu bekennen und das Reich somit zu erneuern. Bei den Sachsen wüteten Glaubenskriege, Karls, die Knechte der Merowinger, kamen und gingen.
Priester schrieben, was ehedem untersagt gewesen war, und aus den Berichten entsprang ein einziger großer Karl, der doch viele gewesen war. Man setzte die Gestalt auf einen Thron und huldigte ihr als König, den es nie gegeben hatte. Kirchen entstanden und bauten auf Sand. Und die Menschheit schrieb fort.
Es begannen Jahre, zuvor ungezählt außer an den Ringen eines Baumes, ein Kalender erwuchs unter einem Papst, Gregor genannt. Der behauptete eine Geschichte voller Zahlen, die ihm einen Sinn ergaben und in einer angenommenen fernen Vergangenheit lagen. Man glaubte ihm und vergaß darüber die Wahrheit. Nur in Legenden lebte sie fort, die niedergeschrieben und dabei verfälscht wurden, bis ein Geschichtsgerüst entstand.
Der julianischer Kalender, der vermeintlich einst gegolten hatte, wurde solcher Art in den Schreibstuben dieses Mittelalters entworfen. Man ersann Werke über ein Rom, das nie gewesen war, und füllte sie mit Leben: Bauwerke, binnen Jahrzehnten aus dem Boden gestampft, wo vorher Ödnis geherrscht hatte, Erzählungen von Kaisern und Feldherren, die nie waren, entstanden in Renaissance und Barock.
Und die Dinge nahm ihren Lauf. Kaiser und Könige konnten die Macht nicht halten, Industrie wurde gegründet, Geld regelte den Umlauf. Kriege ohne Heil brachten die Demokratie der Neuzeit herbei; zuvor erfunden in Utopien einer Antike, die es so nie gegeben hat. Und die Menschheit brach mit ihrer Herkunft, behauptete ein zweitausendjähriges Christentum.
Bis kurz vor dem Millennium ruhte Wodan, dann warf er seinen Speer und fand sich erneuert wieder ein. Er musste die Last schultern, verantwortlich für den Wahn allenthalben zu sein, und befand, nur in der Menschenwelt ausgebreitet zu haben, was zuvor in seinem Reich versteckt gewesen war.
Das Übel aus der Welt zu schaffen, ist seither sein hehres Ziel. Erneuerte Zargen von Ross und Reiter sind die Zukunft der Lande, in denen er reinen Geistes anwesend ist und gemeinsam mit seiner Gefährtin Perata lebt.
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