Mittendrin frage ich mich, warum ich mich überhaupt mit Schamanismus befasse. In meinem persönlichem Umfeld habe ich unangenehme Erfarungen mit Menschen gemacht, die schamanistisch Praktizierende konsultieren. Zuletzt eine Nachbarin, die mit einer schweren Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium nach Südamerika reiste. An dieser Reise und wegen ihrer Nichtteilnahme an dem Drogenritual ist sie nicht gestorben. Sie ist an Krebs gestorben. Was also fasziniert ich selbst an dem Begriff?
Ein Teil ist Eskapismus, die Feigheit mich dem Unvermeidlichen zu stellen, dass mich bitte jemand heile machen möge, und ich der Wissenschaft ein Schnippchen schlage. Mir selbst zu sagen, dass das nicht klappt, nun ja ... wie verläßlich gestalte ich meine Einsicht angesichts der Tatsache, dass nur der Tod gewiss ist?
Schamanismus als animistisch basierte Institution einer Fortdauer von Familie, Sippe, Stamm gab und gibt es dort, wo eben diese Kontinuität besteht. Das gibt es hier in meinem persönlichen näheren Umfeld nicht. Ich nehme die Abwesenheit zur Kenntnis. Ich hampele herum, um so etwas wie Respekt gegenüber körperlich existierenden Wesen hin zu bekommen und darüber hinaus zur Kenntnis zu nehmen, dass der Respekt für geisterhafte Wesenheiten schon lange futsch ist. Naturromantik ... nun, allein der Begriff ... bedeutet für mich die Verklärung dessen, womit ich lediglich respektvoll zusammenleben kann, jedoch nicht erwarten darf, dass ich Schonung erfahre, weil ich "das angemessene Opfer bringe", "das richtige Ritual zelebriere" usw.usf..
Ja, ich denke schon, dass es den Schamanen weiterhin gibt, und dass es Leute gibt, die dadurch Fähigkeiten angenommen haben, die sie auszeichnen, doch der Preis dafür, wer will den schon entrichten? Das geht weit über mal eine Nacht im Wald frieren hinaus.
Empfehlung:
"Auf einer Forschungsreise wird Nastassja Martin von einem Bären gebissen und schwer verletzt. In aufwühlenden Worten erzählt sie von der Geschichte dieses Kampfes und von ihrer Genesung.
Die Anthropologin Nastassja Martin teilt in dieser packenden autobiografischen Erzählung die Geschichte einer tiefen Verletzung und ihrer Heilung. Auf einer ihrer oft monatelangen Forschungsreisen auf die von Vulkanstümpfen durchzogene russische Halbinsel Kamtschatka, wo sie die Bräuche und Kosmologien der Ewenen studiert, taucht sie tief in deren Kultur ein und beginnt intensiv zu träumen. Nach einer Bergtour begegnet sie einem Bären: Es kommt zum Kampf, er beißt sie ins Gesicht und die 29-Jährige gerät in einen Zustand versehrter Identität. Was sie zuvor als Wissenschaftlerin beschrieben hat – die animistische Durchmischung von allem – erfährt sie nun am eigenen Leib. Die Grenzen zwischen dem Bären und ihrer selbst, oder dem, was früher sie selbst war, verschwimmen. Träume und Erinnerungen lassen Nastassja Martin umfassende Heilung in sich selbst und der Wildnis finden, in die sie nach einer qualvollen Genesungsgeschichte in russischen und französischen Krankenhäusern zurückkehrt."
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