Der Bereich des Unabstimmbaren

religionswissenschaftliche und historische Themen ausserhalb des germanisch/skandinavischen Kontexts
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Haganrix
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Der Bereich des Unabstimmbaren

Beitrag von Haganrix »

In einer Vorstellung für Forumsneumitglieder schreibt Rudi:

""Götter im speziellen sind für mich keine Jung'schen Archetypen, sondern uralte, in Zyklen re-inkarnierende Wesenheiten, die viele extrem widersprüchliche Aspekte haben und mit denen mit der Zeit sehr individuelle Beziehungen möglich sind – wenn diese wie wir auch daran Interesse haben und man diese Freundschaften beiderseits gut pflegt."

Nimmt man an, daß die Götter an die Materie gebunden sind, ist die Reinkarnation eigentlich nicht weg zu denken. Im germanischen Heidentum ist die Vorstellung von der Transzendenz denn auch kaum vorhanden. Nachdenklich macht mich insoweit allerdings der Zweite Merseburger Zauberspruch, wo Wodan allein durch Besprechen einen verrenkten Huf wieder einrenkt. Dazu heißt es dort wörtlich ("......so he wola conda....." so er es wohl konnte). Danach kann also ein Gott ohne den Einsatz physischer Energie einen verrenkten Huf wieder einrenken.

Es mag sein, daß diese Quelle des gernmanischen Heidentums singulär geblieben ist. Transzendenz universellen Sinne ist bisher nur für zwei polytheistische Religionen belegt, und zwar für das kaiserliche China und das vorchristliche Griechenland. Bei Salustios im Peri Theon steht es dann auch ausdrücklich. Alles Göttliche sei, so Salustios, "asomatos" - unkörperlich - "kai aidios" - und ewig. Die Vorstellung, daß es Kräfte außerhalb der Materie gibt, also rein geistige, findet sich etwas bei der Diskussion über das "proton kinoun" in den Schriften des Aristoteles. Hier hatte "krishan" auf Ablehnung geschaltet, was allerdings daran gelegen hatte, daß er dem christlichen Übersetzer im Reclam-Heftchen auf den Leim gegangen war, denn "proton kinoun" bedeutet "erstes Bewegendes", der Erste hingegen "protos"!

Krishan und ich hatten darüber diskutiert, und er hatte den Übersetzungsfehler wohl durchaus erkannt. Aber insgesamt war er doch sehr materialistisch orientiert, weshalb die Götter für ihn dann auch die "Grundkräfte und Dynamiken" waren. Die Vorstellung, daß die Ursachen des Seine außerhalb der materiellen Welt liegen, ist für viele Heiden offenbar schwer vorstellbar.

Im Hellenismos wurden derartige Überlegungen bei Phytagoras und Platon, im alten Israel in der Zeit des zweiten Tempels begründet. Auch dort drang man also erst im Verlauf der Entwicklung zu dieser Ansicht vor. Im Christentum und Islam wurden Transzendenzvorstellungen später übernommen.

Literatur: https://www.jstor.org/stable/23997525

Die Sache ist aber zugegebenermaßen unabstimmbar. Die Beantwortung dieser Frage hängt tatsächlich dvon ab, woran man glaubt
Haganrix
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Re: Der Bereich des Unabstimmbaren

Beitrag von Haganrix »

Hier noch mal eine eine weitere Quellenangabe:

https://www.cambridge.org/core/journals ... 7F61CA1AF8
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