Bin bald wieder dabei

Gruß
Philipp
Nein, nein und nein - bitte! Bitte versteht mich in diesem Punkt nicht falsch. Deswegen habe ich doch geschrieben, dass es völlig unerheblich ist, ob man sich Thor mit oder ohne Hammer vorstellt oder meinetwegen auch "nur" als pantheistische Kraft. Das hat mit gutem oder schlechtem Heiden nichts zu tun. Ich stutze da, wo jemand sagt, dass er nicht an die Götter glaubt, sondern sie als Symboliken für geistige Kräfte o.Ä. sieht, weil ich an der Stelle mit dem Begriff Religion hadere. Aber das ist meine eigene Ansicht. Wo ich wie gesagt wirklich große Probleme habe, ist wenn gewisse Bemerkungen á la "seid mal ehrlich, ihr sucht euch die Götter nur wegen Faulheit und Gemeinschaft aus" getätigt werde, weil ich in dem Moment den Eindruck habe, in meinem Glauben überhaupt nicht ernst genommen zu werden. Das ärgert mich schon maßlos bei Christen und Atheisten, aber wenn ich sowas von Heiden höre, dann macht mich das schlicht fassungslos.Bin ich denn ein schlechter Heide, wenn ich bei Gewittern eben nicht glaube, dass oben in der Luft ein menschenähnliches Wesen mit prallen Muskeln und roten Haaren hammerschwingend seinen Ziegenwagen lenkt? Aber es geht kein Gewitter vorbei, wo ich nicht an Donar denke. Und damit finde ich, ehre ich das Erbe der germanischen Völkerschaften, als deren Erbe ich mich der Sprache nach betrachte. Und es bleibt ja nicht nur beim Denken an Donar. Ich habe auch schon am Donnerstag für ihn bei einer schönen Eiche Bier vergossen. Aber jetzt wirklich felsenfest glauben... ich finde einfach, dass das keine Bedingung ist für die heidnische Religion.
Ich meinte in dem Absatz eher, dass wir um die germanischen Götter herumtanzen, also nicht um sämtliche Götter, die es in sämtlichen Religionen gibt. Das finde ich zwar auch nicht super, aber dieses Thema auch noch in die Diskussion hineinzubringen, würde vermutlich zu weit führen. Nein, ich meinte schlicht, dass ich den Eindruck habe, dass die heutigen germanischen Götter nicht mehr so ernst genommen werden in all ihren Eigenschaften, weil wir ihnen aufgrund unserer eigenen humanistischen Überzeugungen Charakterzüge andichten, die vor über 1000 Jahren so sicherlich keinen Platz gehabt hätten. Oben genanntes Beispiel Odin. Ich halte nun nichts davon, ihm ein Menschenopfer darzubringen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er dagegen keinerlei Vorbehalte hätte.Na ja, modern... das gibt es schon, seit man mit Nachbarkulturen Handel treibt. Die Wikinger selbst die Jesus als einen ihrer Götter aufgenommen haben sollen, und die viele orientalischen Kulte, die bei Griechen und Römer populär wurden.
Unsere Interpretation des Wortes "Glauben" unterscheidet sich ein wenig; für mich heißt es kein blindes Vertrauen. Ich glaube z.B. an Odin, aber wirklich vertrauen tue ich ihm nicht. Und ich halte auch nicht alles für wahr, was über ihn gesagt wurde, da sehr viele Menschen gesprochen haben und jeder hat eine eigene Interpretation."Glauben an" bedeutet für mich eben alles für wahr zu halten, was von den Göttern gesagt oder geschrieben wurde. Und das tue ich nicht. Ich sehe die Götter vor allem eben als Personifizierungen natürlicher Vorgänge.
Damit möchte ich noch mal den integrativen Charakter des Blots betonen, das wirksam ist, unabhängig davon, wie und ob die Teilnehmer tatsächlich an die Götter "glauben". Vielleicht ist das auch der Masterplan der Götter, um viele verschiedenen Menschen zusammenzubringen und das Band mit den Göttern zu erneuern. Schließlich hat niemand etwas gegen Schutz (Thor) oder ein glückliches Familienleben (Frigga)"In diesem Umfeld liegt denn wohl auch der Ursprung der Auffassung, die
heidnischen Germanen hätten ihre Götter als Freunde betrachtet und so
bezeichnet. Sie beruht nicht auf ungetrübter Erinnerung an die
Frömmigkeit der vorchristlichen Vergangenheit, sondern beweist nur, daß
die christlichen Verfasser unserer Texte die heidnischen Götter bewußt
oder unbewußt nach dem Vorbild der christlichen Heiligen als Patrone und
Fürsprecher ihrer Verehrer auch in irdischen Belangen charakterisieren.
Dafür spricht nicht zuletzt der Gebrauch des altnordischen Ausdrucks
fulltrui, <<enger Vertrauter, Freund>>, der in den
Isländersagas heidnische Götter, in der geistlichen Literatur aber die
Gottesmutter und verschiedene Heilige bezeichnet. Da der Begriff in der
Dichtung vor 1100 überhaupt nicht vorkommt und auch später nur in
Prosatexten eine religiöse Färbung aufweist, spiegelt sich in einer
Anwendung auf Götter wie Frey und Thor ebenso wie im entsprechenden
Gebrauch des Wortes vinr zweiffellos nicht ein genuin vorchristlicher
Sprachgebrauch, sondern vielmehr der Einfluß der christlichen
Hagiographie auf das weltliche Schrifttum." Bernhard Maier 2003, Seite
36-37. Die Religion der Germanen. Kapitel "Zum Verhältnis von Gott und
Mensch"
"Wie im antiken Rom erscheint <<Religion>> also auch bei den
Germanen weniger als eine Sache der individuellen und privaten
Überzeugung als vielmehr des gemeintschaftlich und öffentlich
vollzogenen Kults, dessen Wirksamkeit man vor der inneren Einstellung
der Beteiligten unabhängig glaubte.
[...]Da der Kult gemeinschaftlich und öffentlich vollzogen wird,
betrachtet man Abweichung von der überlieferten Religion zugleich als
Gefährdung der staatlichen und politischen Ordnung. Eine naheliegende
Parallele dazu bildet die antike Auffassung des Kaiserkults als einer
staatsbürgerlichen Pflicht, der auch Christen zwar nicht mit innerer
Überzeugung, wohl aber durch ihre äußerliche Teilnahme zu genügen
hätten."
[...]
War die Religion der Germanen ein Teil der vorgebenen politischen,
rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung, so brauchte die individuelle
und persönliche Beziehung zu einem bestimmten Gott oder zu den Göttern
im allgemeinen selbstverständlich nicht die Rolle zu spielen, die ihr in
jenen religiösen (Wahl)-Gemeinschaften zukommt, die sich durch eben
diese individuelle und persönliche Bindung überhaupt erst konstituieren.
Ob und inwiefern es bei den Germanen etwas Vergleichbares gab, gehört
zu den unlösbaren Fragen in der Geschichte dieser Religion, da die
Quellen darüber weitgehend schweigen. In welchem Umfang man sich in
persönlichen Nöten an die Götter wandte und aufgrund eigener Erfahrungen
ein persönliches Verhältnis zu ihnen gewann, verraten uns weder die
archäologischen Funde noch die Nachrichten antiker Autoren oder die
Notizen mittelalterlichen Chronisten."
Selbiges Buch, S.32-33.
Ja da könntest du Recht haben, das möchte ich jetzt nicht anzweifeln.Und ich betone es nochmal: Die Edda ist für mich keine Bibel. Aber vielfach treten Heiden diesem Buch gegenüber mit der Haltung auf, dass es ihnen vollkommen gestohlen bleiben kann. Klar, man nimmt seine heutigen Informationen aus Wikipedia oder zumindest einem wissenschaftlichen Buch - aber all diese Texte gäbe es ohne die beiden Eddas nicht. Dessen muss man sich einfach bewusst sein. Ich wage zu behaupten: Ohne Eddas wäre ein Wiederauferwachen des Heidentums nicht möglich gewesen, weil wir ansonsten viel zu wenig Wissen und Quellen darüber haben.
OK, das mag sein. Ich selber bezeichne mich ja eben auch nicht als Asatru, das habe ich in dem Thread "Warum ich mich nicht Asatruar nenne" bereits auch schon einmal ausgeführt.Mja, ich stimme dir darin zu, dass das heidnisch ist. Und ich sehe das auch vollkommen vollwertig und habe höchsten Respekt vor dieser Einstellung. Aber das ist Pantheismus. Ásatrú geht noch ein Stück weiter
Und das respektiere ich genauso wie andere Sichtweisen. Ich denke wir haben die Missverständnisse nun ausgeräumt.Ich widerspreche dir eben nur deshalb, weil die Eddas für einen Ásatrú eben doch eine Rolle spielen.
Anders als z. B. das Christentum ist das germanische Heidentum (Forn Siðr/Ásatrú) keine Buch- oder Offenbarungsreligion, weshalb all deren typische Merkmale wie Monotheismus, Sünden-, Paradies- und Höllenvorstellung völlig oder je nach Auslebung größtenteils fehlen. Es gibt in diesem Sinne auch keinen Glauben beim Ásatrú/Forn Siðr, da dieser die Vorstellung einer Existenz einer Gegebenheit, die über das direkt Erfahrbare hinausgeht, implizieren würde, wobei, wie der Name bereits sagt, es vielmehr um das Treue-Halten für wahr genommener Traditionen, Vorstellungen und Bräuche geht. Der Autor Fritz Steinbock schrieb in seinem Buch Das heilige Fest, Rituale des traditionellen germanischen Heidentums in heutiger Zeit in diesem Zusammenhang dazu: (sinngemäß) „Man fragte früher (in der germanischen Religion) nicht, an welche Götter glaubst du, sondern welchen Göttern opferst du?“